Ärztliche Schweigepflicht

Kein Zeugnisverweigerungsrecht wegen der ärztlichen Schweigepflicht – Einblick in das Erbrecht

Von gabor partners //

In der Erbauseinandersetzung kann die Frage der Testierfähigkeit einer verstorbenen Person entscheidend sein.

Gerade wenn Zweifel an der geistigen Gesundheit oder der Entscheidungsfähigkeit des Erblassers bestehen, spielt die Offenlegung medizinischer Unterlagen eine wichtige Rolle. Doch wie verhält es sich mit der ärztlichen Schweigepflicht? Das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm) hat sich nun (Az.: 10 W 3/23, BeckRS 2024, 24595) zu dieser Frage geäußert und klargestellt, dass die Schweigepflicht eines Arztes nach dem Tod des Patienten nicht automatisch ein Zeugnisverweigerungsrecht zur Folge hat, wenn Zweifel an der Testierfähigkeit bestehen. Dieser Beschluss stellt eine wichtige Leitlinie für Erben, Ärzte und Anwälte dar.

Die Entscheidung des OLG Hamm: Offenlegungspflicht trotz ärztlicher Schweigepflicht

Das OLG Hamm legte in seinem Beschluss fest, dass Krankenhäuser verpflichtet sind, die Krankenunterlagen der verstorbenen Erblasserin offenzulegen, da kein Zeugnisverweigerungsrecht aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht besteht. Die wichtigsten Kernpunkte der Entscheidung:

  1. Verpflichtung des Krankenhauses zur Vorlage der Krankenunterlagen: Nach der Entscheidung des OLG Hamm besteht kein Zeugnisverweigerungsrecht für das Krankenhaus, die Krankenunterlagen der Erblasserin im Streitfall offenzulegen. Dies bedeutet, dass Informationen über den gesundheitlichen Zustand des Erblassers den Nachlassbeteiligten zugänglich gemacht werden müssen, wenn Zweifel an der Testierfähigkeit vorliegen.

  2. Erlöschen der ärztlichen Schweigepflicht mit dem Tod: Laut Beschluss des OLG Hamm endet die ärztliche Schweigepflicht nach dem Tod der Erblasserin. Damit wird eine Prüfung der Testierfähigkeit ermöglicht, die für die Rechtmäßigkeit eines Testaments entscheidend sein kann.

  3. Mutmaßlicher Wille des Erblassers als entscheidendes Kriterium: Gemäß einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1984, 2893) ist für die Frage, ob und in welchem Umfang der Arzt von der Schweigepflicht nach dem Tod des Patienten freigestellt ist, der erklärte oder mutmaßliche Wille des Erblassers ausschlaggebend. Es ist dabei davon auszugehen, dass der Erblasser in der Regel ein Interesse daran hat, etwaige Zweifel an seiner Testierfähigkeit auszuräumen. Wenn also Tatsachen infrage stehen, die das Zustandekommen des Testaments und die Willensbildung des Erblassers betreffen, wird in der Regel keine Verschwiegenheitspflicht angenommen (BayObLG NJW-RR 1991, 6).

Vor- und Nachteile dieser Rechtsprechung

Die Entscheidung des OLG Hamm hat weitreichende Auswirkungen auf Erben, Ärzte und Institutionen und bringt sowohl Vorteile als auch Nachteile mit sich.

Vorteile

  • Klarheit und Rechtssicherheit für die Erben: Durch die Offenlegung der Krankenhausunterlagen können Erben sicherstellen lassen, dass die Testierfähigkeit des Erblassers korrekt beurteilt wird und das Testament tatsächlich dessen Willen entspricht. Dies reduziert das Risiko von Fehlentscheidungen bei der Erbschaftsverteilung.
  • Förderung der Transparenz im Erbfall: Die Entscheidung stärkt die Transparenz im Erbrecht, indem sie eine genaue Überprüfung der Testierfähigkeit ermöglicht und dadurch potenziellen Missbrauch verhindert.
  • Schutz des testamentarischen Willens: Die Offenlegung medizinischer Informationen im Zusammenhang mit der Testierfähigkeit schützt den erklärten Willen des Erblassers. Ein Testament, das ohne Einwilligung oder in einem geistig eingeschränkten Zustand errichtet wurde, kann so für ungültig erklärt werden.

Nachteile

  • Eingriff in die postmortale Privatsphäre: Die Offenlegung medizinischer Daten des Verstorbenen kann als Eingriff in dessen postmortale Privatsphäre betrachtet werden. Besonders persönliche oder sensible Gesundheitsdaten könnten nach dem Tod offengelegt werden, was von einigen als unangemessen empfunden wird.
  • Unsicherheiten und zusätzlicher Druck für Ärzte: Die Entscheidung kannÄrzte in Bezug auf den Umgang mit der ärztlichen Schweigepflicht nach dem Tod eines Patienten verunsichern.. Ärzte müssen möglicherweise Entscheidungen über die Offenlegung von Informationen treffen, was ihre Rolle als Vertrauenspersonen der Patienten herausfordert
  • Gefahr des Missbrauchs durch Erben: Wenn Erben Zugang zu den Krankenunterlagen des Verstorbenen haben, besteht ein gewisses Risiko, dass diese Informationen missbraucht werden, um Erbschaftsansprüche zu beeinflussen oder zu manipulieren. Dies könnte zu zusätzlichen Konflikten innerhalb der Familie führen.
Fazit

Die Entscheidung des OLG Hamm verdeutlicht, dass die ärztliche Schweigepflicht nach dem Tod des Patienten unter bestimmten Umständen kein Zeugnisverweigerungsrecht begründet. Stattdessen wird das mutmaßliche Interesse des Erblassers, seine Testierfähigkeit im Nachlassfall nachzuweisen, höher bewertet. Damit wird ein Beitrag zur Rechtssicherheit und Transparenz im Erbrecht geleistet, auch wenn dies mit gewissen Herausforderungen verbunden ist.

Falls Sie in einer Erbschaftsangelegenheit rechtliche Unterstützung benötigen oder Fragen zur ärztlichen Schweigepflicht und den Auswirkungen auf die Testierfähigkeit haben, steht Ihnen gabor partners gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns für eine individuelle Beratung, die Ihnen hilft, Klarheit und Sicherheit in Ihrer Erbschaftsangelegenheit zu gewinnen.

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